

Kein Durchbruch bei ukrainisch-russischen Gesprächen in Istanbul
Russland und die Ukraine haben bei ihren ersten direkten Gesprächen seit mehr drei Jahren einen großen Gefangenenaustausch vereinbart, aber keine Fortschritte hin zu einer Waffenruhe erzielt. Während sich die russische Delegation nach dem Treffen am Freitag in Istanbul "zufrieden zeigte", berichtete die ukrainische Seite von "inakzeptablen" russischen Gebietsforderungen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reagierte "sehr enttäuscht" auf den Ausgang des Treffens.
Der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski sagte, beide Seiten hätten einen "massiven" Austausch von jeweils 1000 Kriegsgefangenen vereinbart, der in den kommenden Tagen stattfinden solle. Der ukrainische Chefdelegierte, Verteidigungsminister Rustem Umerow, bestätigte den geplanten Austausch.
Der geplante Gefangenenaustausch ist offenbar das einzige konkrete Resultat der Gespräche. Beide Seiten haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine im Februar 2022 immer wieder Kriegsgefangene ausgetauscht, ohne dass dies deeskalierend auf den Kriegsverlauf gewirkt hätte.
Die Erwartungen an die Gespräche in Istanbul waren von vornherein eher niedrig, da der russische Präsident Wladimir Putin nicht persönlich anreiste und stattdessen nur eine relativ niedrigrangige Delegation entsandte.
Bei den rund anderthalbstündigen Gesprächen wurde laut Medinski über eine mögliche Waffenruhe sowie über ein mögliches Treffen zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beraten. Präsidentenberater Medinski zeigte sich "zufrieden" mit dem Treffen. "Im Ganzen sind wir zufrieden mit den Ergebnissen und bereit, die Kontakte fortzusetzen", sagte er Reportern des russischen Staatsfernsehens.
Ein ukrainischer Regierungsvertreter hatte hingegen zuvor kritisiert, dass die russischen Unterhändler "inakzeptable Forderungen" gestellt hätten, um die Gespräche scheitern zu lassen. Von diesen Forderungen sei im Vorfeld der Gespräche nicht die Rede gewesen. Dazu gehöre, dass die ukrainische Armee sich aus "weiten Teilen" bislang von ihr kontrollierter Gebiete der Ukraine zurückziehen solle, bevor es eine Waffenruhe gebe, sagte der Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP.
Die Ukraine war mit der Forderung nach einer Waffenruhe ohne Vorbedingungen und nach einem Treffen zwischen Selenskyj und Putin die Gespräche gegangen. Medinski sagte nach Ende des Treffens, es sei vereinbart worden, dass beide Seiten ihre Vorstellungen von "einer möglichen künftigen Waffenruhe" vorlegen sollten. Wenn dies geschehen sei, könnten die Verhandlungen fortgesetzt werden.
Zu der ukrainischen Forderung nach einem Treffen der beiden Staatschefs sagte der russische Chefunterhändler lediglich: "Wir haben diese Anfrage zur Kenntnis genommen." Selenskyj hatte die Zusammensetzung der russischen Delegation im Vorfeld als zu niedrigrangig kritisiert. Er warf dem Kreml vor, die Gespräche "nicht ernst genug" zu nehmen.
Putin hatte die Gespräche in Istanbul selbst vorgeschlagen und damit auf einen europäischen Vorstoß für eine 30-tägige Feuerpause reagiert. Der Kreml-Chef war dann aber nicht selbst in die türkische Metropole gereist. Mit Medinski ernannte er einen Verhandlungsführer für das Treffen, den westliche Beobachter nicht zu den Schlüsselfiguren in Putins Umfeld zählen.
Selenskyj kam hingegen am Donnerstag nach Istanbul, nahm aber wegen der Abwesenheit Putins nicht an den Gesprächen mit Russland teil.
Bundeskanzler Merz zeigte sich "sehr enttäuscht" über den Ausgang der Gespräche. Die bisherigen diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe seien "leider an der mangelnden Bereitschaft Russlands gescheitert, jetzt erste Schritte in die richtige Richtung zu tun", sagte Merz in Tirana, wo er an einem Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft teilnahm.
Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer, der polnische Regierungschef Donald Tusk und Selenskyj kamen am Rande des Gipfels in der albanischen Hauptstadt zusammen. Laut Selenskyjs Sprecher Serhij Nykyforow führten sie dabei auch ein Telefonat mit US-Präsident Donald Trump.
Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte die Haltung des russischen Präsidenten. Putin kündige erst an, Gespräche über eine Waffenruhe führen zu wollen, komme dann aber nicht selbst und schicke stattdessen "die dritte Garde", sagte Pistorius. Indem er das Gespräch mit Selenskyj verweigere, zeige Putin sehr deutlich, dass er derzeit "überhaupt nicht daran interessiert" sei, "diesen Angriffskrieg zu beenden", betonte Pistorius.
Bei den direkten Gesprächen der Kriegsparteien in Istanbul waren auch türkische Vertreter zugegen, jedoch keine der USA - obwohl der Druck von Präsident Donald Trump wesentlich dazu beigetragen hatte, dass die Gespräche zustande gekommen waren. Bilder der Gespräche zeigten, wie die Delegationen der zwei verfeindeten Länder im Dolmabahce-Palast einander gegenüber saßen. In der Mitte waren die türkischen Vertreter platziert.
US-Außenminister Marco Rubio und andere Regierungsvertreter aus Washington waren nach Istanbul gereist und waren dort mit ukrainischen und türkischen Vertretern zusammengetroffen. Rubio hatte im Vorfeld die Erwartungen an die russisch-ukrainischen Gespräche gedämpft. Er glaube nicht, dass es einen Durchbruch geben werde, bis Trump und Putin sich von "Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen", sagte er.
Auch der Kreml nannte ein Treffen zwischen Putin und Trump "zweifellos notwendig". Trump sagte am Freitag bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, er wolle sich sobald wie möglich mit Putin treffen. Ehe er den Kreml-Chef treffe, werde in den russisch-ukrainischen Gesprächen "nichts passieren", sagte er.
M.Paredes--ECdLR