

Kopf-an-Kopf-Rennen in Polen: Pro-europäischer Präsidentschaftskandidat knapp vorn
Kopf-an-Kopf-Rennen in Polen: Bei der ersten Runde der richtungsweisenden Präsidentschaftswahl in dem EU- und Nato-Mitgliedsland ist der pro-europäische Kandidat Rafal Trzaskowski einer Nachwahlbefragung zufolge knapp vor dem Rechtsnationalisten Karol Nawrocki gelandet. Der jüngsten Befragung des Instituts Ipsos zufolge erhielt Trzaskowski am Sonntag 31,2 Prozent der Stimmen. Nawrocki kam demnach auf 29,7 Prozent. Da keiner der beiden die notwendigen 50 Prozent erreichte, müssen sie am 1. Juni in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Laut Regierungschef Donald Tusk geht es dabei "um alles oder nichts".
Die Präsidentschaftswahl gilt als Richtungswahl. Trzaskowski, derzeit Bürgermeister der Hauptstadt Warschau, gehört wie Tusk der liberal-konservativen Bürgerplattform an. Ein Wahlsieg des 53-Jährigen würde den Weg für die Reformen der Regierung frei machen. "Dieses Ergebnis zeigt, wie stark wir sein müssen, wie entschlossen wir sein müssen, wie viel Arbeit vor uns liegt", sagte Trzaskowski vor Anhängern in der Stadt Sandomierz im Osten Polens.
Der 42-jährige Nawrocki wird von der nationalkonservativen früheren Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt. Sollte er die Präsidenten-Stichwahl gewinnen, wäre eine Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Staatschefs Andrzej Duda zu erwarten. Beobachter halten in diesem Fall vorgezogene Parlamentswahlen für möglich.
Der Rechtsnationalist bedankte sich nach dem Urnengang bei seinen Wählern und sagte mit Blick auf die Stichwahl, sein Sieg werde es verhindern, dass die derzeitige Regierungskoalition die gesamte Macht in Polen "monopolisiert". Er werde "nicht akzeptieren, dass neue EU-Verträge unterzeichnet" würden und Polen seine Souveränität "in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verliert". Zudem versprach er zu verhindern, dass "die Sicherheit der polnischen Frauen und Männer durch illegale Migranten bedroht wird".
Entscheidend für die Stichwahl dürfte sein, ob der drittplatzierte Slawomir Mentzen, der am Sonntag 15,4 Prozent der Stimmen erhielt, in der Stichwahl Nawrocki unterstützt. Der Rechtsaußen-Kandidat Mentzen ist entschiedener Euro-Skeptiker und Abtreibungsgegner. Den eine Million ukrainischen Flüchtlingen in Polen warf er vor, das Land auszunutzen.
In der ersten Wahlrunde standen 13 Kandidaten und Kandidatinnen auf dem Wahlzettel. Der linksextreme Kandidat Adrian Zandberg erhielt laut Nachwahlbefragung 5,2 Prozent der Stimmen.
Das vorläufige Ergebnis der ersten Wahlrunde wurde für den frühen Montagmorgen erwartet. Die Wahlbeteiligung lag laut Ipsos bei 66,8 Prozent.
Der Wahlkampf in dem EU- und Nato-Mitgliedsland Polen drehte sich vor allem um Außenpolitik und soziale Themen. Der pro-europäische Trzaskowski kündigte an, das Recht auf Abtreibung und die Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft zu schützen. "In diesen Wahlen geht es um die Rechte von Frauen und Minderheiten", sagte Anna Rusztynska-Wolska, eine 69-jährige Ärztin, nachdem sie ihre Stimme abgegeben hatte.
Nawrocki, der von der PiS unterstützt wird, ist euroskeptisch und wirft den etwa eine Million ukrainischen Flüchtlingen im Land vor, sich an Polen zu bereichern. Er bewundert US-Präsident Donald Trump, dieser habe bei einem Treffen im Weißen Haus zu ihm gesagt: "Du wirst gewinnen."
Mit Nawrocki würde die Regierung "de facto gelähmt" sein, sagte die Politologin Anna Materska-Sosnowska. Dies könne "letztlich zum Sturz der regierenden Koalition führen". Ihrer Einschätzung nach würde sein Erfolg "die Rückkehr der Populisten mit zehnfacher Kraft spätestens in zwei Jahren" bei den nächsten Parlamentswahlen bedeuten.
Regierungschef Donald Tusk unterstrich nach der Veröffentlichung der Nachwahlbefragung die Bedeutung der Stichwahl in zwei Wochen. "Das Spiel um alles oder nichts hat gerade erst begonnen", erklärte der Ministerpräsident im Onlinedienst X. Dies sei "ein erbitterter Kampf um jede Stimme". "Diese zwei Wochen werden über die Zukunft unseres Vaterlandes entscheiden", mahnte er.
Der Wahlkampf für die zweite Runde der Präsidentschaftswahl wird nach Einschätzung der Soziologin Ewa Marciniak vom Meinungsforschungsinstitut CBOS "brutal" sein. "Jeder der Kandidaten wird um jeden Preis versuchen, seinen Rivalen mit allen Mitteln zu diskreditieren", sagte sei der Nachrichtenagentur AFP.
Laut Wojciech Przybylski von der Stiftung Res Publica "bedeuten mehr als 20 Prozent der Stimmen für die extreme Rechte, dass Trzaskowski absolut nicht sicher sein kann, dass er gewinnt". Das Ergebnis der Stichwahl hängt ihm zufolge von der Wahlbeteiligung und der "Mobilisierung der jungen Leute ab", die für den Rechtsaußen Mentzen und für den linksextremen Kandidaten Adrian Zandberg gestimmt hätten.
Der Präsident hat in Polen nur begrenzte Befugnisse, ist aber Oberbefehlshaber der Streitkräfte, bestimmt die Außenpolitik und hat das Recht, Gesetze einzubringen oder sein Veto gegen sie einzulegen.
Unter Tusk hat Polen in Europa an Gewicht gewonnen. Das Land ist seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ein treuer Verbündeter und Unterstützer des Nachbarlandes. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) war zu seiner ersten Auslandsreise nach seinem Amtsantritt erst nach Paris und dann nach Warschau gereist.
H.Hurtado--ECdLR