

Verwaltungsgericht: Vom Bund zugesagte Visa für Afghanen sind rechtlich bindend
Die Bundesrepublik muss einer afghanischen Familie aufgrund entsprechender Zusagen Visa erteilen. Das entschied das Verwaltungsgericht Berlin nach einer Mitteilung vom Dienstag in einem Eilverfahren im Zusammenhang mit dem Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan. Aus der Opposition kam anschließend Kritik an der Bundesregierung mit Blick auf das Programm. (VG 8 L 290/25 V)
Das im Herbst 2022 gestartete Programm der Bundesregierung für frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und weiterer deutscher Institutionen sollte besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen sowie ihren Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland in Aussicht stellen, wobei die Zahl der vorgesehenen Aufnahmen begrenzt ist. Union und SPD einigten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf, die freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme "soweit wie möglich" zu beenden.
Aufgrund dieses Aufnahmeprogramms erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antragstellern, einer afghanischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, im Oktober 2023 sogenannte Aufnahmezusagen. Die Familie hält sich derzeit in Pakistan auf, wo die Antragsteller bei der deutschen Botschaft Visa für die Einreise ins Bundesgebiet beantragten.
Zur Erteilung kam es bisher nicht. Mit ihrem gerichtlichen Eilantrag machten die Antragsteller nun geltend, dass sie einen Anspruch auf die Erteilung eines Visums hätten und nicht länger in Pakistan bleiben könnten. Ihnen drohe dort die Abschiebung nach Afghanistan, wo sie um Leib und Leben fürchten müssten.
Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag in einer Entscheidung vom Montag statt. Die Bundesrepublik müsse den Antragstellern die Visa erteilen. Zwar könne die Bundesrepublik bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Staatsangehörige beenden oder fortführen wolle. Während dieses Entscheidungsprozesses könne der Bund von der Erteilung neuer Aufnahmezusagen absehen. Die Bundesrepublik habe sich jedoch "durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden".
Auf diese rechtliche Bindung könnten sich die Antragsteller berufen. Zudem erfüllten die Antragsteller die weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung, befand das Gericht. Es seien keine Sicherheitsbedenken ersichtlich, und ihre Identität sei geklärt. Schließlich hätten die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass ihnen eine Abschiebung von Pakistan nach Afghanistan drohe, wo sie gefährdet seien. Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
"Dass Betroffene erst vor Gericht ziehen müssen, um ihr Recht durchzusetzen, ist ein Skandal, aber leider kein Einzelfall", kommentierte der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich den Fall. "Während Menschen auf unsere Hilfe vertrauen, verweigert die Bundesregierung Schutz und tritt ihre Zusagen mit Füßen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die Linken-Politikerin Clara Bünger forderte nach dem Beschluss die sofortige Umsetzung der Aufnahmen aus Afghanistan. "Die anhaltenden Verzögerungen sind nicht tragbar", erklärte Bünger. Sie erwarte nun von der Regierung, "alle notwendigen Schritte einzuleiten, um die Ausreisen zu ermöglichen".
Der CDU-Innenexperte Alexander Throm sagte der "Rheinischen Post", wenn Deutschland rechtlich verpflichtet sei, jemanden einreisen zu lassen, "dann wird man dieser Pflicht selbstverständlich nachkommen". Die Regierung müsse sich aber "genau ansehen, in welchen Fällen eine unentziehbare Pflicht besteht und in welchen nicht". Niemand dürfe mehr aus diesem Aufnahmeprogramm aufgenommen werden, "der nicht zwingend aufzunehmen ist", sagte der CDU-Politiker.
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte der "FAZ", die rechtliche Überprüfung der getätigten Zusagen durch die Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen, das federführende Innenministerium habe sich zu dieser Frage noch gar nicht eingelassen. Die "Einzelfallentscheidung des Verwaltungsgerichts" müsse auf Oberverwaltungsgerichtsebene überprüft werden. "Wir stehen zu unserem Wahlversprechen, dieses Programm abzuwickeln", bekräftigte er außerdem.
Die SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur forderte in der Zeitung die Einhaltung der deutschen Aufnahmezusagen. "Wir in der SPD sind uns einig: Alle Aufnahmezusagen müssen eingehalten werden." Die Betroffenen seien auf Herz und Nieren geprüft worden – "es spricht nichts dagegen, sie einreisen zu lassen".
H.León--ECdLR